Selten hat mir ein Beitrag so die Augen geöffnet und gleichzeitig mit Tränen gefüllt, wie dieser aus der Zeitung “Junge Freiheit” vom 3. November, den mir eine gute Freundin neulich in Berlin in die Hand drückte. Da ich keine digitale Version im Internet finden konnte, entschied ich mich kurzerhand alles abzutippen und weiteren Lesern zugänglich zu machen.
Es handelt sich um einen Einblick in die Abgründe einer Diktatur, die jede Hoffnung auf Demokratie im Keim erstickt hat. Wenn Menschen so sehr ihrer physischen Freiheit beraubt werden, dass sie sogar psychisch komplett eingeschränkt werden und nicht mehr in der Lage sind sich einen Ausweg aus der Diktatur vorzustellen, dann hat die Diktatur gewonnen. Mir ist dadurch noch klarer geworden, wie gut es ist in einer echten Demokratie zu leben, wo die Politik jeden Tag hart dafür arbeitet damit es allen Menschen in diesem Land immer besser geht und unsere Freiheit verteidigt wird und wir alle zuversichtlich in die Zukunft schauen. Ich habe Mitleid mit den Menschen die in einer Diktatur mehr überleben als leben müssen und alles dafür geben würden in ein demokratisches Land wie Deutschland zu kommen, wo sie alles machen können was sie wollen und sich komplett frei ausleben können. Es ist ganz klar unsere Pflicht dafür zu kämpfen, dass diese Menschen von ihrer Diktatur befreit werden und eine demokratische Regierung erhalten. Jeder der für Demokratie und Freiheit ist, kann z.B. mit solchen Beiträgen dazu beitragen.
Der Beitrag:
Demokratie in Rußland? Aleksandr. M. zuckt mit den Schultern, der ehemalige Mitarbeiter der Präsidentschaftskanzlei ist desillusioniert, seinen vollen Namen will er nicht in der Zeitung veröffentlichen: „Wir alle wissen, daß Putin 2024 gewählt werden wird.“ Dann werde man weitere sechs Jahre seiner Herrschaft ohne echte Demokratie im Land erleben, „ohne echte Oppositionsparteien und in einem Klima der Angst, wo jeder Gedanke, der gegen die Position des Staates gerichtet ist, als Extremismus und Terrorismus angesehen wird.”
Eine Perspektive für das flächenmäßig größte Land der Welt nach Putin sieht er nicht, man könne seine Meinung zwar frei äußern, aber eben “nur zu Hause und im stillen”. Aleksandr zieht eine Parallele zur Sowjetunion und zum Franquismo in Spanien, das Land sei „erstarrt in bleierner Schwere”. Wladimir Putin also alternativlos in Rußland? Verharrt das politische Rußland im Putinismus, während sich die Welt um Moskau weiterdreht? Wer heute durch Moskau spaziert, sieht viele chinesische Automodelle, Firmen aus BRICS-Staaten sind in das Vakuum gestoßen, das durch den Wegzug westlicher Unternehmen entstanden ist. Vieles hat sich verändert seit 2020, aber Putin ist geblieben und scheint bleiben zu wollen.
Tatsächlich dürfte man auch außerhalb Rußlands etwas ratlos auf die Präsidentschaftswahlen im März 2024 blicken. Im zweiten Kriegsjahr schlägt sich die Wirtschaft im Land zwar trotz der Sanktionen vergleichsweise gut, die Lage der politischen Opposition ist hingegen desaströs. Die im September dieses Jahres abgehaltenen Wahlen auf Regionalebene gelten selbst in traditionell eher autokratietoleranten arabischen Medien als „wenig auf Wettbewerb ausgerichtet”, wie es ein Kommentator im arabischen Sender Al Jazeera ausdrückte.
Dazu paßt, dass sich bisher keiner der verbliebenen Hoffnungsträger der russischen Opposition zur Kandidatur bekannt hat. Alexej Nawalny sitzt unverändert im Gefängnis, seine Vorstrafe dürfte ihm den legalen Weg zur Kandidatur ohnehin verbaut haben. Xenia Sobtschak, die Tochter des früheren Bürgermeisters von Sankt Petersburg Anatoli Sobtschak, des politischen Ziehvaters von Putin, verfügt mittlerweile über die israelische Staatsbürgerschaft, ein unüberwindbares Hindernis, da Doppelstaatsbürger vom passiven Wahlrecht ausgeschlossen sind. Lediglich das Arbeitspferd der russischen Opposition, die Kommunistische Partei, könnte noch einige wenige vergleichsweise bekannte Kandidaten aufbieten, doch bisher hält sich die Partei unter ihrem Dauervorsitzenden Gennadi Sjuganow auffallend zurück.
Jeglicher Widerstand gegen Präsident Putin und sein Team wurde, so scheint es, niedergeschlagen. Denjenigen Oppositionellen, die sich nach Europa absetzen konnten, ist es ebenfalls nicht gelungen, sich auf einen gemeinsamen Kandidaten zu einigen. Im nichtwestlichen Ausland munkeln daher einige bereits, daß Putin im Jahr 2024 einen „überwältigenden und überzeugenden“ Sieg erringen wird, wenn er sich entscheidet, an den Wahlen teilzunehmen, wie es Chinas Präsident Xi Jinping anläßlich eines Staatsbesuchs ausdrückte. Tatsächlich gibt es keine Anzeichen dafür, daß der Amtsinhaber sich einer weiteren Amtszeit verweigern und seinen Thron freiwillig aufgeben würde. Es mag viele Russen geben, die einer Verlängerung der Ära Putin kritisch gegenüberstehen, aber für sie scheint es schlicht keine Alternative zu geben.
Der russischen Politik ist diese Situation nicht unbekannt, in der Vergangenheit rührte die größte Sorge für Vladimir Putin nicht aus einer aussichtsreichen Gegenkandidatur, sondern aus einer niedrigen Wahlbeteiligung. Die überwältigende Mehrheit an abgegebenen Stimmen zu erhalten ist deutlich weniger überzeugend, wenn die Wahlbeteiligung in nie gekannte Tiefen fällt.
Wenig überraschend, schreiben westliche Medien die Wahlen 2024 bereits in Gänze als verloren ab. Lange hatte man hier auf Nawalny gesetzt, doch die Proteste gegen seine Inhaftierung 2021 wurden schneller unterdrückt, als man gehofft hatte. Seine prominenten Unterstützer und Weggefährten sind in der Diaspora in Europa, andere Oppositionsvertreter von seinem Kaliber gibt es bisher nicht, für die außerparlamentarische Opposition sind die Präsidentschaftswahlen damit unerreichbar. Wohin geht also Rußland im Jahr 24 der Ära Putin? Dazu herrscht auf allen Ebenen der russischen Gesellschaft tiefe Ratlosigkeit. Unter Putin wird man die nächsten Jahre zubringen, darüber sind sich seine Freunde wie Feinde einig, aber wie wird sich das Land innenpolitisch entwickeln?
Die anfängliche Antikriegsstimmung, befeuert von den überraschend hohen Verlusten, ist deutlich abgekühlt. Viele Russen sind offenbar willens, des eigenen Nationalgefühls wegen nicht nur einige wirtschaftliche Einbußen hinzunehmen, sondern auch auf wesentliche Teile ihrer bürgerlichen Freiheitsrechte zu verzichten. Hinzu kommt, daß die Öffentlichkeitsarbeit des Kreml die wirtschaftlichen und politischen Turbulenzen in Europa aktiv ausbeutet. Jedes Umfragetief der deutschen Ampel-Koalition wird in russischen Staatsmedien genüßlich aufgegriffen und in den anschließenden Kommentaren zelebriert. Schlechte Wirtschaftsdaten, Rezession und Migrantenkrawalle in Westeuropa gehören in den russischen Medien ohnehin zum täglichen Brot. Für viele Russen ist damit die Sache klar, sie selbst – so eine weitverbreitete Stimmung – leiden, aber die anderen, drüben im Westen, leiden noch mehr.
Wer es mit seiner Kritik an Putin ernst meint, der erwähnt öfter das Alter des Präsidenten. Am 7. Oktober wurde der ehemalige Geheimdienstoffizier 71 Jahre alt, hin und wieder sickern auch in Rußland westliche Medienberichte über angebliche Gesundheitsbeschwerden des Staatschefs durch. Doch verglichen mit US-Präsident Joe Biden wirkt selbst auf Putin-Kritiker der Amtsinhaber vergleichsweise gesund und munter.
Von seinen treuen Anhängern hat der Kremlchef ohnehin wenig zu befürchten, die offenkundige Unabsetzbarkeit des russischen Herrschers fügt sich hier bei dem einen oder anderen harmonisch in eine romantische russische Zarennostalgie ein. Zum Glück seiner treuen Unterstützer fehlt eigentlich nur ein Sohn als Thronfolger. Damit aber kann Putin, Vater zweier Töchter, bisher nicht dienen.